Was bedeutet «Würde»?

Shownotes

Kann man die eigene Würde verlieren, oder jemandem Würde zurückgeben? 🤔 Nein, denn Würde ist jedem Menschen angeboren.

So steht es in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – und so sieht es auch die christliche Ethik. Was das bedeutet, dazu mehr in dieser Podcastfolge.

➡️ Wenn du zu diesem komplexen Thema noch mehr wissen möchtest, lies den Artikel auf reflab.ch.

MindMaps: «300 Jahre Kant: Fragliche Menschenwürde» Metzlers Philosophielexikon, Art. «Würde» «Dignitas infinita»: Papier des Vatikans Link zum Blogpost Video zur Folge Podcast Abgekanzelt: «Würde ist kein Konjunktiv»

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00:00:00: Kann jemand die eigene Würde verlieren?

00:00:02: Oder kann jemand die Würde zurückgeben?

00:00:04: Meine einfache Antwort ist nein.

00:00:07: Vielleicht überrascht ich diese Antwort,

00:00:09: aber wie immer ist es spannender, wenn man ein bisschen in die Tiefe geht.

00:00:13: Das machen wir in dieser Podcastfolge.

00:00:15: Herzlich willkommen zurück am Lagerfeuer.

00:00:18: Unser frei im Himmel.

00:00:22: Das Lagerfeuer für Nomaden Christiane.

00:00:26: * Musik *

00:00:28: In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es,

00:00:38: alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

00:00:42: Die Würde ist die Grundlage auch für die Menschenrechte.

00:00:45: Es ist angeboren und für alle gleich.

00:00:48: Das ist auch aus theologischer, christlicher, ethischer Sicht

00:00:52: die Menschenwürde.

00:00:54: Die Angeboren ist und allen gleichzusteht.

00:00:57: Würde kann man nicht verlieren, weil wenn sie angeboren ist,

00:01:00: dann hat Würde auch nicht damit zu tun, was jemand kann oder nicht kann.

00:01:05: Angeboren heißt ja auch, schon als Baby hat man eine Menschenwürde.

00:01:10: Als Baby kann man z.B. seine Körperfunktionen nicht regulieren.

00:01:14: Man hat keine Ahnung von dem, was man gesellschaftlich so tun soll

00:01:18: oder nicht, sondern man lebt einfach und trotzdem.

00:01:21: Gerade deswegen hat man auch eine individuelle Würde.

00:01:25: Und die verliert man auch nicht im Laufe des Lebens.

00:01:28: Würde ist häufig etwas, das in Spiel kommt,

00:01:31: wenn es ums Lebensende geht.

00:01:33: Dass man würdig sterben möchte, z.B. jemand würdig sterben möchte.

00:01:37: Aus christlicher Sicht geht eigentlich unwürdiges Sterben

00:01:41: von einem Menschen aus nicht.

00:01:43: Also jemand kann seine Würde nicht verlieren,

00:01:45: weil er oder sie z.B. eine schwere Krankheit hat

00:01:49: und nicht mehr klar denken kann.

00:01:51: Oder eben, sein Körper nicht mehr gleich gut funktioniert.

00:01:56: Sondern die Würde hat man vom ersten bis zum letzten Atemzug.

00:02:02: Und das finde ich auch das Schöne und Faszinierende

00:02:05: am christlichen Glauben,

00:02:07: diese inhärrente Würde, die einfach jeder Mensch hat.

00:02:18: Aus der logischer Sicht gibt es zwei Erklärungen dafür grob gesagt.

00:02:23: Die eine ist, dass Menschen nach dem Ebenbild,

00:02:27: nach dem sogenannten von Gott geschaffen wurden.

00:02:29: Also, dass sie eine Ähnlichkeit haben mit Gott.

00:02:32: Und Gott ist ein so perfektes, übernatürliches Wesen.

00:02:37: Ein Wesen, das in Güte und Liebe nicht zu übertreffen ist.

00:02:41: Weil wir Menschen ähnlich sind, haben auch wir Teil an dieser Würde.

00:02:46: Das ist die eine Erklärung.

00:02:48: Die andere Erklärung ist,

00:02:50: dass Gott jeden einzelnen Menschen bedingungslos liebt

00:02:53: und dass auch das nicht verloren gehen kann.

00:02:56: Dass Gott jeden Menschen sieht und liebt und begleitet.

00:02:59: Und deswegen jeder Mensch eine individuelle Würde hat,

00:03:02: die er oder sie oder die nicht verlieren kann.

00:03:05: Würde zu haben und auf andere angewiesen zu sein,

00:03:09: ist kein Widerspruch, sondern das gehört beides zum Mensch zu sein.

00:03:13: Ohne theologischen Hintergrund ist es übrigens schwierig,

00:03:16: auch zu begründen.

00:03:18: Es gibt verschiedene philosophische Erklärungsansätze dafür.

00:03:22: Eine bekannte Stammt von Immanuel Kant,

00:03:24: der die Menschen für die Anvernunft und Selbstbestimmung,

00:03:27: also Autonomie festmacht.

00:03:29: Das klingt im ersten Augenblick überzeugend,

00:03:32: weil es auch ein Stück weit den Menschen abgrenzt fontieren.

00:03:37: Aber dann wiederum überzeugt es nicht so,

00:03:40: weil wenn jemand z.B. im Koma liegt oder ein kleines Kind ist

00:03:45: oder demant wird, was ist dann mit dieser Würde,

00:03:48: was ist dann mit der Vernunft und Selbstbestimmung,

00:03:51: dann hinkt diese Erklärung.

00:03:53: Dazu gab es übrigens auch eine Folge von unserem Podcast Mindmaps,

00:03:57: vom Philosophie Podcast.

00:03:59: Die verlinke ich dir in den Notizen zu dieser Folge.

00:04:02: Auch eine spannende Erklärung für Würde,

00:04:04: auf die ich gestoßen bin in der Recherche,

00:04:07: stammt aus dem Spätmittelalter von Pico della Mirandola.

00:04:10: Er sagte, der Grund der besonderen Menschenwürde

00:04:13: ist die psychische Selbstmächtigkeit des Menschen.

00:04:16: Dass ein Mensch kreativ sein kann,

00:04:18: ist das, was die Würde dieses Menschen ausmacht.

00:04:21: Auch hier, wenn jemand das nicht mehr sein kann

00:04:24: oder nicht mehr auf augenfällige Weise sein kann,

00:04:27: was ist dann mit dieser Würde?

00:04:29: Und auch, es sollte sein, dass unter Druck, was sind meine Fähigkeiten?

00:04:34: Hab ich mehr Würde, wenn ich kreativer unterwegs bin,

00:04:37: weniger Würde, wenn ich einen sehr repetitiven Job habe,

00:04:40: und das auch mag, das darf einfach nicht sein.

00:04:43: Das ist ein schönen Satz, habe ich im Metzlers Philosophie Lexikon Online gefunden.

00:04:47: Den lese ich euch schnell vor.

00:04:49: Jeder Verstoß gegen die Würde

00:04:51: ist ein durchbrechender Solidarität der Menschen untereinander.

00:04:55: Ihre Achtung erkennt an, also die Achtung der Menschenwürde,

00:04:58: erkennt an, dass das Menschsein in jedem Einzelnen

00:05:01: in unersetzlicher, weil individuellerweise repräsentiert ist.

00:05:05: Das fand ich sehr, sehr einen schönen Satz und eine schöne Begründung,

00:05:09: dass das Mensch sein in jedem Menschen einzigweilig ist.

00:05:13: abgebildet sind, dass jeder Mensch ein einzigartiges Leben hat und sich daraus die Würde ableitet.

00:05:19: Das war jetzt so die Erklärung, die mich am meisten noch überzeugt hat aus der Philosophie. Aber

00:05:24: sonst gefällt mir das eben wie gesagt auch am Christentum, dass die Würde nichts mit

00:05:29: Fähigkeiten zu tun hat, dass nichts, was ich tue oder nicht tue, was ich kann oder nicht kann,

00:05:34: mehr Würde gibt.

00:05:36: Würde kann man nicht verlieren, kommt jetzt aus dieser Heerleitung, weil Gott spricht jedem

00:05:49: Menschen eine einzigartige Würde zu, es ist angeboren und für alle gleich. Würde kann man

00:05:54: deswegen nicht verlieren. Aber Würde kann man anerkennen oder nicht. Man kann die Würde eines

00:06:02: Gegenübers, wie auch in diesem Satz, den ich vorher vorgelesen habe, anerkennen oder nicht.

00:06:07: Also Würde kann verletzt werden, wenn ich zum Beispiel jemandem nicht zugestehe, dass diese

00:06:13: Person ihr Leben auf ihre eigene Weise leben kann. Also wenn ich jemandem die Selbstbestimmung

00:06:18: nicht mehr zugestehe. Würde kann auch verletzt werden, indem ich jemandem das nicht zugestehe,

00:06:24: was dieser Person zum Leben braucht, also auf gesundheitlicher oder ganz passaler Nahrungs,

00:06:30: medizinischer Versorgung auf dieser Ebene, auf der Ebene von Bildung, damit diese Person

00:06:35: sich entfalten kann, dann kann eine Würde des Menschen verletzt werden, indem man sie nicht

00:06:40: anerkennt oder auch indem ich Personen minderwertig behandle oder Personen minderwertig behandelt

00:06:46: werden, indem so eine Ungleichheit geschaffen wird, auch das verletzt die Menschenwürde.

00:06:52: Auch ein interessanter Punkt, den ich mir überlegt habe, auch die eigene Würde muss anerkannt

00:06:57: und geachtet werden. Also wie spreche ich mit mir selber, wie gehe ich mit mir selber

00:07:02: zu um, wie gestehe ich mir selber das zu, was ich zum Leben brauche, wie lasse ich mich

00:07:08: selber mich entfalten im Rahmen meiner Möglichkeiten. Das ist auch der Umgang mit der eigenen Würde

00:07:16: und das Bewusstsein dazu. In jedem Augenblick deines Lebens bist du ein geliebtes Geschäftgottes

00:07:23: und das wirst du nicht verlieren, egal welche Fähigkeiten du hast oder nicht hast, was

00:07:28: du machst, was du nicht machst. Eine spannende Definition von Würde habe ich interessanterweise

00:07:39: noch beim Vatikan gefunden, in so einer Entzücklichkeit, dignitas infinita, wo eben ein Thema behandelt

00:07:45: wird. Und ich möchte vorausschicken, ich bin in den moralischen Aussagen dieses Dokumentes

00:07:52: nicht in jedem Fall einverstanden. Zum Beispiel, wo die Liebe zwischen Mann und Frau als Darstellung

00:07:58: der Menschenwürde dargestellt wird oder assistiert der Suizid als Verletzung der Menschenwürde,

00:08:04: Schwangerschaftsabbruch, geschlechtsangleichende Operationen und so weiter. Das sind dann alles

00:08:09: Beispiele, wo die Würde irgendwie mit moralischen Konsequenzen behandelt wird und da finde ich,

00:08:16: die Themen sind doch komplexer, als es dort steht. Und ich bin auch mit den Aussagen nicht

00:08:20: in jedem Fall einverstanden. Aber in diesem Dokument gibt es eine spannende Definition

00:08:25: von Würde, dass es vier verschiedene Dimensionen gibt. Eine ontologische, also vom Menschsein

00:08:31: her, vom Leben her, besitze ich eine unveräußerliche Würde. Das ist die erste. Die zweite Definition

00:08:38: oder Dimension von Würde ist die Sittliche, also meine Freiheit gegen oder mit meinem

00:08:43: Gewissen zu handeln und deswegen meine eigene Würde oder die Würste anderen Menschen zu

00:08:49: verletzen, die Sittliche Würde. Wie gehe ich moralisch, ethisch mit anderen Menschen um?

00:08:55: Dann die dritte ist die soziale Würde, was in die Lebensbedingungen eines Menschen wird

00:09:00: da, die Würde dieses Menschen geachtet und dann vierte ist die existenzielle Würde. Also

00:09:06: ganz heruntergebrochen, wenn die Lebensbedingungen so schwierig sind, dass jemand das eigene

00:09:12: Leben als würdelos erfährt. Also, dass da ein Gegensatz besteht zu dieser ontologischen

00:09:18: Dimension, zudem als Mensch steht mir Würde zu und zwischen dem wie ich meine existenziellen

00:09:24: Lebensbedingungen erlebe. Wenn es da ein Konflikt gibt, dann ist die Würde verletzt.

00:09:29: Das fand ich eine spannende Dimension, die ich hier noch nennen wollte.

00:09:32: Du kannst übrigens das, was ich in diesem Podcast jetzt erzählt habe, auch nachlesen

00:09:37: auf reflap.ch. Jedes Mal, wenn ich hier eine Podcastfolge poste, dann gibt es auch einen

00:09:42: Blog-Eintrag dazu und auch ein ganz kurzes Video, so zwischen zwei und fünf Minuten,

00:09:46: wo ich auf das Thema eingehe. Ich findest du in der Playlist auf YouTube, die ich dir

00:09:50: auch verlinkt in den Notizen zu dieser Folge. Und jetzt interessiert mich, was du darüber

00:09:54: denkst. Ob du in dieser Podcastfolge was gehört hast, dass du dir noch nie so überlegt

00:09:58: hast oder ob du etwas ergänzen möchtest, dann kommentier das sehr gerne auf reflap.ch

00:10:04: als Mail, als contact@reflap.ch oder schreib mir auf Instagram. Ich freue mich von dir

00:10:10: zu hören und dann bis in zwei Wochen wieder. Tschüss!

00:10:14: [Musik]

00:10:22: [Musik]

00:10:24: SWR 2018

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