Was ist mit neuen Übersetzungen des «Unser Vater»? (Unser Vater, Teil 9)
Shownotes
Warum noch die alten Worte des «Unser Vater?» Und darf man das Gebet frei übersetzen? Darum geht's in dieser Folge, der letzten in der Serie.
Das «Unser Vater» ist ein Gebet, das verbindet, weil so viele die gleichen Worte auswendig können und gemeinsam beten. Gleichzeitig ist gerade im persönlichen Gebet aber auch Raum für neue Worte. 🤲💬
Welche Version spricht dich an? Nimm diese Podcastfolge als Inspiration, dein eigenes «Unser Vater»-Gebet zu schreiben! 🙏✍️
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Erwähnte Übertragungen/Sammlungen: «Vater Unser», Gedicht von Rose Ausländer. Ina Prätorius, Rainer Stöckli (2017) Vater unser Mutter unser. Gebet in 150 Variationen aus 250 Jahren. Walter Vogts «Vattr» (und Gespräch mit Kurt Marti)
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00:00:00: Hallo und herzlich willkommen zu allerletzten Folge aus der "Unser Vater-Serie bei Unterfreiem Himmel".
00:00:06: Nachdem wir in den letzten Folgen "Zeile für Zeile, das Gebet durchgegangen sind",
00:00:09: geht heute noch um die Frage, was ist denn eigentlich mit alternativen Übersetzungen?
00:00:14: Was ist denn, wenn jemand unsere Mutter beten möchte oder den Begriff "Herrlichkeit mit Zärtlichkeit" übersetzen möchte?
00:00:22: Geht das? Ist das erlaubt? Darf man das unser Vater anders formulieren?
00:00:26: Darum geht es in der heutigen Folge.
00:00:29: "Unser Freie Himmel, das Lagerfeuer für Nomadenkristin".
00:00:36: Schon ganz am Anfang der Serie haben wir Leute aus der Community ihre "Unser Vater"-Varianten geschickt.
00:00:52: Sie haben ihre alternativen Übersetzungen, die sie entweder selber geschrieben haben oder denen sie irgendwo begegnet sind.
00:00:58: Sei es in einem Buch, in einem Kurs, auf einer Postkarte und die bei ihnen mehr Resonanz ausgelöst haben,
00:01:04: als die bekannten Worte des "Unser Vater-Gebet", wie sie sich in der Kirche durchgesetzt haben.
00:01:09: Und jetzt die Frage darf man das beim Gebet umschreiben.
00:01:12: Da waren ganz unterschiedliche Übertragungen dabei.
00:01:16: Zum Beispiel aus der Bibel in gerechter Sprache, wo das Gebet beginnt mit "Du Gott bist uns Vater und Mutter im Himmel".
00:01:24: Oder jemand hat mir eine Bernddeutsche Version geschickt von Walter Vogt, die lautet...
00:01:30: "Gebe uns doch zu essen, um etwas ausgefressen zu haben, vergesst das".
00:01:36: Das wäre eine Bernddeutsche, also die allekt-schweizerische Übertragung der Zweizeilen zum Täglich Brut und zur Vergebung.
00:01:44: Dann gibt es diverse zeitgenössische Übertragungen, wo es zum Beispiel bei einer davon am Schluss heißt,
00:01:50: denn dein ist das Reich der Liebe und des Friedens, die Fülle des Lebens und der Klang des Kosmos,
00:01:56: der alles erneuert von Weltzeit zu Weltzeit.
00:02:00: Also eine ganz freie Übertragung der Doxologie, die wir in der letzten Podcast-Forge zusammengeschaut haben.
00:02:07: Oder was ich auch gefunden habe, ist eine ganz kritische Übertragung von Rosa Ausländer, dieser jüdischen Denkerin,
00:02:14: die mehrere Kriege erlebt hat.
00:02:17: Und in diesem Gedicht von ihr, dass sich an das unser Vatergebet anlehnt, spürt man ganz stark die Enttäuschung von Gott.
00:02:24: Es heißt da zum Beispiel, Vater unser, nimm zurück deinen Namen. Wir wagen nicht, Kinder zu sein.
00:02:34: Vielleicht ist ja aufgefallen, dass ich jetzt jeweils Übertragung gesagt habe und nicht Übersetzung.
00:02:39: Das sind einfach zwei unterschiedliche Begriffe für Versionen eines Textes, wobei die eine näher am Grundtext ist
00:02:47: und die andere freier mit dem Grundtext umgeht.
00:02:50: Das enthält also keine Wertung.
00:02:53: Aber zum Beispiel, ich bete in meinem privaten Betigter unser Vater oft auf Schweizerdeutsch,
00:02:59: weil das ist meine Muttersprache.
00:03:01: Und das wäre aber eine Übersetzung, weil die Worte doch eins zu eins dasselbe sind, wie es im biblischen Text.
00:03:08: Aber eben zum Beispiel, wenn man den Grundtext anpasst oder die Bedeutung in andere Worte formuliert, dann wäre das eher eine Übertragung.
00:03:16: Diese Unterscheidungen gibt es übrigens auch in Bezug auf Bibern.
00:03:19: Da gibt es manche Übersetzungen, die sich sehr genau an den Originaltext halten in Wortwahl oder Satzstruktur,
00:03:27: die sehr treu mit dem Grundtext umgehen und die nennt man wörtliche Übersetzung oder philologische Übersetzung.
00:03:35: Da gibt es zum Beispiel die Schlachter 2000 Bibel, die bekannt ist, oder die Elberfelder, oder auch die Zürcher Übersetzung.
00:03:43: Und dann gibt es noch andere Übersetzungen, die sich eher an der Verständlichkeit orientieren
00:03:48: und wo man dann je nach Nähe zum Grundtext auch von Übertragung sprechen könnte.
00:03:53: Also zum Beispiel die Hoffnung für alle oder die gute Nachrichtbibel, da werdet ihr merken, wenn ihr die vergleicht mit einer Elberfelder,
00:04:01: dass die zwar verständlicher ist, aber teilweise doch sehr frei mit dem Text umgeht.
00:04:06: Und dann gibt es eben auch Varianten wie zum Beispiel die Volksbibel, wo aus Brot auch mal nudeln werden können
00:04:13: und wo man wirklich auch sehr, sehr frei diesen Kontext anpasst an das heute.
00:04:18: Ja, klammergeschlossen.
00:04:21: Ich finde, diese unterschiedlichen Übertragungen haben alle ihre Berechtigung.
00:04:28: Es ist einfach so, dass diese Worte, die 2000 Jahre alt ist, nicht mehr verständlich sind für viele Menschen
00:04:35: und es da auch eine Aktualisierung braucht.
00:04:37: Und zum anderen kann man so auch sich die Worte wirklich zu eigen machen und sich überlegen,
00:04:42: welche Bedeutung steckt für mich in dieser Zeile.
00:04:45: Wenn du meine Videos zum "Unser Vater" gebet geschaut hast oder die älteren Podcastfolgen gehört hast,
00:04:51: dann hast du ja auch gemerkt, was ich hier mache ist eine Interpretation.
00:04:56: von der wissenschaftlich-theologischen Seite natürlich auf diese Texte. Das ist nicht
00:05:01: absolut frei schwebend im Raum, sondern ich schaue, was könnte das bedeutet haben damals,
00:05:06: was könnte damit gemeint sein? Und dann kann ich auch mal zum Schluss kommen,
00:05:10: dass zum Beispiel das Führer uns nicht in Versuchung auch lauten könnte, lasst mich
00:05:15: nicht allein Gott. Das wäre jetzt so ein Beispiel. Und ich bin überzeugt davon,
00:05:20: dass wenn du das zu unser Vatergebet betest, dass du dann andere Dinge im Kopf hast als ich,
00:05:25: dass du bei den unterschiedlichen Zeilen an andere persönliche Bedürfnisse denkst oder
00:05:31: einfach diese Zeilen anders interpretieren würdest. Und da gibt es eben Übertragungen,
00:05:36: die nicht nur für eine Person persönlich eine Aneignung dieses Gebet sind, sondern auch für
00:05:41: eine Personengruppe. Eben zum Beispiel bei der Bibelengerechter Sprache, die einen feministischen
00:05:47: und befreiendes theologischen Hintergrund hat. Da geht es darum, dass man eben sensibler mit
00:05:52: so Machtbegriffen und Patriachat Begriffen umgeht. Oder wie dieser Text, dieses Gedicht von
00:05:58: Rose Ausländer, wo man merkt, da steckt auch ganz viel Reflexion und Kritik auch drin,
00:06:04: wo sich ganz bestimmt auch viele Menschen drin finden. Es gibt übrigens ganze Sammlungen von
00:06:10: solchen Übertragungen. Ich verlinke dir gerne eine von Inapritorius und Rainer Stöckli in den
00:06:16: Notiten zu dieser Folge, da kannst du auch nachschauen.
00:06:19: Warum braucht es dann jetzt noch diesen alten Text, diesen 2000 Jahre alten Text in einer alten
00:06:28: deutschen Übersetzung, wie wir ihn Sonntag für Sonntag im Gottesdienst beten, wenn man in den
00:06:34: Gottesdienst geht? Dann ist das wirklich ein fester Bestandteil und wie ich finde, auch einer der
00:06:39: besonderen, der dichtesten Momente eines Gottesdienstes, wenn alle aufstehen und dann gemeinsam
00:06:45: das Unser Vater beten. Ich finde das immer sehr schön. Vielleicht geht es dir anders und ich finde,
00:06:50: man darf da auch still sein, darüber nachdenken oder die einen Zeilen auch auslassen, auch wie
00:06:56: bei einem Glaubensbekenntnis darf man das ja auch. Aber da braucht es jetzt, damit man das
00:07:02: gemeinsam beten kann, wenn man möchte und einstimmen kann, wenn man möchte, braucht es eben diese
00:07:07: gemeinsamen Worte. Und viele Menschen kennen die Formulierung des Unser Vater oder zumindest
00:07:13: so halb halb, dass sie mitbeten können, wenn jemand den Anfang einer Zeile laut sagt. Und das ist
00:07:20: deswegen von liturgischem Wert in einem Gottesdienst. Also man kann da nicht einfach so, dass über
00:07:25: dein Haufen werfen und sagen, wir verwenden jetzt eine gendergerechte Version. Dann muss man,
00:07:30: müsste man, das kann man natürlich, ich kenne Gemeinden, die es auch tun, da muss man den Text
00:07:35: zum Beispiel schriftlich zur Verfügung stellen, dass Menschen auch mitlesen können. Und auch
00:07:39: dann werden nicht alle das Gleiche beten. Deswegen braucht es diesen alten Text eben doch. Und im
00:07:45: Privaten kann man dann wie auch sonst beim Gebet ganz die eigenen individuellen Worte wählen,
00:07:51: mit denen man sich an Gott richtet. Falls du in der Schweiz wohnst und theologisch gebildet bist,
00:07:57: dann sagt ihr vielleicht der Name Kurt Marty, das war ein Pfarrer, ein Dichter und der hatte
00:08:02: ein Streitgespräch mit Walter Vogt, eben dem Autor des Berndeutschen, unser Vaters. Und Kurt
00:08:09: Marty sagte, man kann das Gebet nicht auf Berndeutsch übersetzen, weil er sagte, man könne durchaus,
00:08:15: wenn man sich Mühe gibt, eine Form finden, die im Dialekt funktioniert, aber es sei eben für
00:08:21: den Gottesdienst nicht brauchbar liturgisch und als gemeinsames Gebet. Ich verlinke dir auch
00:08:27: dieses Gespräch und die Schweizerdeutsche Version in den Notizen zu dieser Folge.
00:08:31: Und jetzt zum Schluss dieser Serie, die Einladung an dich. Jetzt hast du vielleicht mehrere meiner
00:08:40: Podcastfolgen zum Unser Vater Gebet gehört und vielleicht auch nur diese hier, aber auch dann
00:08:46: schreib doch mal dein eigenes Unser Vater Gebet. Nimm dir Zeit, um es Zeile für Zeile
00:08:51: durchzugehen, durchzudenken, was bedeutet das für dich und dann aufzuschreiben, wie lautet
00:08:57: dein Gebet, deine Interpretation des Unser Vater Gebet. Das wäre auch nochmal ein Zugang, um sich
00:09:03: dieses Gebet neu zu erschließen. Mir geht es zumindest so, dass nachdem ich jetzt diese Serie
00:09:08: gemacht habe, dass ich im Unser Vater, wenn es in der Gemeinde gebetet wird, immer bei jeder
00:09:13: Zeile noch ein bisschen was anderes denke als ich vorher jeweils darüber gedacht habe, dass
00:09:18: Samia ein Fenster aufgegangen ist, dass ich da einen Weg zurücklege in diesem Gebet, der einfach mehr
00:09:26: Bedeutung hat als vorher. Und vielleicht magst du mir ja deine Gebetsvariante in die Kommentare,
00:09:31: schreib auf reflapp.ch oder auf Social Media oder auch per Mail an contact@reflapp.ch. Wir hören uns
00:09:39: in zwei Wochen wieder. Tschüss!
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