«Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben» (Unser Vater, Teil 6)

Shownotes

Ist es Pflicht, jemandem zu vergeben, egal wie schlimm es ist, was die Person einem angetan hat? 🤔💭 Jesus hat gepredigt, dass man grosszügig vergeben soll – immer wieder. Aber das ist keine starre Regel, sondern eine Lebenshaltung.

Was heisst das? Und wie kannst du mit Schuld umgehen, die dich belastet? 🌿💔 Spoiler: Vergebung bei Gott ist ein Geschenk, keine Leistung. 💝🙏

➡️ Was kommt dir zum Thema Schuld und Vergebung in den Sinn? Schreib’s mir auf contact@reflab.ch, kommentier auf reflab.ch oder auf dem RefLab-Instagram-Kanal! 💬

Diese Podcastfolge gibt's auch in Form eines Blogartikels bei reflab.ch. Den Text von Janna findest du auch hier zum Nachlesen.

Geschichte vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11-31) RefLab-Artikel über die Praxis der Busse Gerhard Ebeling, Vom Gebet: Predigten über das Unser Vater, Tübingen 1963 (in Bibliotheken oder antiquarisch).

Transkript anzeigen

00:00:00: Hallo und herzlich willkommen zurück am Lagerfeuerwesen mitten in unserer

00:00:03: Vater. Heute geht es um Schuld und das war die Bitte, zu der ich im Vorfeld am

00:00:07: meisten Mails und Fragen erhalten habe, weil sie so schwierig ist. Wir sprechen

00:00:11: heute darüber, ob es eigentlich unsere Pflicht ist, an den Menschen zu vergeben,

00:00:15: egal was sie uns angetan haben. Und am Ende dieser Folge gibt es wie immer

00:00:20: einen meditativen, einen poetischen Text von meiner Kollegin Jana Horstmann. Wenn

00:00:25: du nicht wegen der theologischen Ausführungen hier bist, dann kannst

00:00:28: du direkt über deine Podcast-App auch dorthin springen.

00:00:32: Unser frei im Himmel, das Lagerfeuer für Nomaden Christinnen.

00:00:40: Vergeb uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigen. Daraus aus

00:00:53: dem zweiten Teil, wie auch wir vergeben oder weil auch wir vergeben haben unseren

00:00:58: Schuldigen, könnte man ableiten, dass es unsere Pflicht ist, anderen Menschen zu

00:01:03: vergeben. Ist das tatsächlich so? Ja, Pflicht ist ein großes Wort, aber es ist

00:01:08: so, dass Jesus als in Menschen gefragt haben, wie oft sollen wir anderen Menschen

00:01:12: vergeben, hat er gesagt, immer, immer, wieder, sieben mal siebzig mal. Also das

00:01:18: ist tatsächlich eine Haltung, eine Lebenskultur, die man einüben soll.

00:01:23: Laut Jesus. Aber eben, es ist eine Haltung, es geht darum, dass ich nicht auf dem

00:01:28: Beharre, was mir zusteht, dass ich nicht auf dem Sitze, was mir andere Menschen

00:01:32: eigentlich noch schulden, wie auf einem hohen Ross, sondern dass ich großzügig

00:01:37: lebe und ein weiteres Herz habe. Also es geht nicht um eine starre Regel und

00:01:42: Pflicht und Anweisung, sondern es geht um eine Herzenshaltung, um eine Richtung,

00:01:47: die ich mit meinem Leben einschlagen soll. Es gibt ein Begriff "spiritual bypassing",

00:01:52: der besagt, dass man nicht genau hinschauen möchte, wenn Menschen Probleme

00:01:57: haben und dass man das dann religiös übertüncht oder unter den Teppich

00:02:01: wisst. Also zum Beispiel, dass wenn mir jemand etwas Schwieriges erzählt, wo

00:02:06: eigentlich meine Empathie oder Unterstützung gefragt würde oder wenn

00:02:09: mich jemand konfrontiert mit etwas, das ich falsch gemacht habe, dass ich dann

00:02:13: sage, Gott will von dir, dass du vergibst. Das ist jetzt ein Beispiel für

00:02:17: spiritual bypassing, wenn ihr das googelt, dann findet ihr noch mehr

00:02:21: Informationen zu diesem Begriff. Das Problem damit ist, dass man nicht richtig

00:02:26: hinschaut, dass man nicht schaut, wie ist ein Konflikt zustande gekommen, was ist

00:02:31: tatsächlich geschehen, wo ist wirklich, wo hat sich jemand schuldig gemacht an

00:02:36: einer anderen Person, zum Beispiel mit einem Betrug oder einem Missbrauch oder

00:02:40: einfach nicht loyalem Verhalten, nicht korrektem Verhalten und dass man das

00:02:46: dann unter den Teppich kehrt, anstatt dass man den Konflikt wirklich auflöst und

00:02:50: hinschaut, schuld auch bekannt, reue eingesteht, wenn es so sein muss oder

00:02:54: jemanden konfrontiert mit der Schuld, die diese Person auf sich geladen hat.

00:02:59: Ich merke selber, ich spreche jetzt schon ganz moralisch, aber eigentlich sind

00:03:04: ganz alltägliche Dinge so. Also zum Beispiel, wenn mich jemand immer versetzt oder

00:03:08: immer zu spät kommt, dann ist das jetzt keine große moralische Schuld, aber es

00:03:12: ist etwas, wo ich mich ungerecht behandelt fühle und womit ich eine

00:03:16: Person konfrontieren könnte. Es geht aber soweit bis zu zum Beispiel sexuellem

00:03:21: Missbrauch und auch dort hat gerade das Christentum leider eine lange Geschichte

00:03:25: von Spiritual Bypassing, dass Menschen, die solche Dinge gemeldet haben, die

00:03:30: Menschen, die andere konfrontiert haben mit dem, was ihnen angetan haben, dass da

00:03:35: gesagt wurde, du musst dieser Person halt einfach vergeben.

00:03:39: Das ist hier ganz sicher nicht gemeint, mit dem, wie auch wir vergeben unseren

00:03:42: Schulden, sondern eben, ich glaube, da geht es um diese Herzenshaltung von

00:03:47: Großzügigkeit.

00:03:50: Vergebung kann frei machen. Es gibt auf Schweizerdeutsch so ein Lied "Vergabig

00:03:56: macht frei". Das ist ein zentrales christliches Prinzip. Es ist tatsächlich so,

00:04:00: dass wenn man bereit ist jemandem zu vergeben, wenn man loslassen kann, wenn

00:04:05: man nicht daran festhalten kann, was eigentlich mein Recht wäre, gerade in

00:04:11: Situationen, wo ich nicht zu diesem Recht komme, dann kann das mein Leben so sehr

00:04:14: belassen, dass ich nicht weitergehen kann. Dann kann mich Vergebung frei machen, aber

00:04:19: nur auch hier würde ich sagen, das ist psychologisch sehr komplex, da macht es

00:04:24: auf jeden Fall Sinn, auch mit anderen Menschen darüber zu sprechen, sich je

00:04:27: nach dem psychologischen Unterstützung zuholen oder ein Coaching je nachdem,

00:04:31: um wie schwer diese Belastung ist. Vergebung macht aber auch die

00:04:37: andere Person frei. Also Geld schulden kann ich zurückzahlen, wenn ich das Geld

00:04:41: habe, aber Fehler kann ich nicht wieder gut machen. Und es gibt, wir sind Menschen,

00:04:46: wir machen immer wieder Fehler, wir machen uns immer wieder schuldig an

00:04:50: anderen Personen verhalten und nicht korrekt oder bereuen etwas und das

00:04:55: können wir nicht ungeschehen machen. Manche Fehler haben schlimme

00:04:58: Konsequenzen und wenn mir vergeben wird, dann kann ich dort, wo ich bin,

00:05:03: inklusive dieser Konsequenzen, aber nach vorne schauen. Ich muss kein

00:05:07: schlechtes Gewissen mehr haben. Diese seelische Last, die ist dann weg und

00:05:12: das ist eine ungeheuerliche Befreiung.

00:05:15: Diese zwischenmenschliche Vergebung ist aber in diesem Bibeltext eigentlich nur

00:05:21: die Nebensache, weil eigentlich ist die unser Vater bitte ja Gott, vergib uns

00:05:26: unsere Schuld. Also dass wir auch, wir vergeben, könnte man auch als

00:05:31: zwischenmenschlichen Vergleich sehen, also weil wir wissen, was Vergebung auf einer

00:05:35: zwischenmenschlichen Ebene bedeutet, weil wir einerseits wissen, wie schwierig es

00:05:40: ist, anderen Menschen zu vergeben, aber andererseits auch darum wissen, wie

00:05:44: befreiend es sein kann, wenn mir jemand vergibt, wird das wie als Vergleich hinzugezogen

00:05:50: für das, worum wir Gott bitten. Indem man das bittet, geht man davon aus, dass man

00:05:56: sich entweder auch Gott gegenüber schuldig machen kann und dass alle Fehler,

00:06:00: die wir im Zwischenmenschlichen machen, auch Fehler gegenüber Gott sind. Auch

00:06:04: Dinge, die wir nicht menschlichen Wesen antun oder uns selber gegenüber uns

00:06:10: falsch verhalten, dass das eigentlich auch ein Fehlverhalten Gott gegenüber ist.

00:06:14: Das ist das eine oder aber man geht etwas offener davon aus, dass einfach Dinge,

00:06:19: die ich falsch mache, eine Implikation haben, die Gott wieder gut machen kann,

00:06:25: egal ob es jetzt Gott gegenüber geschehen ist oder nicht. Und darum bitten wir.

00:06:33: Kürzlich hat mir jemand erzählt, sie möchte die sechs Wochen Passionszeit vor

00:06:37: Ostern fasten, damit Gott ja ihre Sünden vergibt und sie hat gesagt, sie hat

00:06:42: Dinge getan, die ihr sehr sehr schwer auf dem Herzen liegen. Sie möchte etwas

00:06:46: leisten, damit Gott ihr vergeben kann. An dieser Stelle ist interessant, dass die

00:06:51: beiden Versionen des unser Vater gebets ich habe davon ja auch schon in der

00:06:54: ersten Folge dieser Serie erzählt, unterschiedliche Begriffe für

00:06:58: Schuld haben. Im Matthäus Evangelium wird der Begriff für finanzielle Schulden,

00:07:03: also für Geld Schulden verwendet. Im Lukas Evangelium hingegen geht es um eine

00:07:08: moralische Schuld. Schulden können ja eine große Last sein, also um noch ein

00:07:12: bisschen bei diesem finanziellen Begriff zu bleiben, wenn jemand eine Rechnung

00:07:16: nicht bezahlen kann und dann kommt eine Mahnung, dann ist dort ein höherer

00:07:20: Betrag drauf, vielleicht ab der dritten Mahnung. Und das kann einen in eine

00:07:25: ganze Spirale hineinbringen. Also, dass man, wenn man betrieben wird, keine

00:07:28: Wohnung mehr kriegt, dass man die Wohnung vielleicht sogar verliert. Menschen mit

00:07:32: Schulden sind in so einer Spirale drin, da kommt so viel zusammen, da kommt man

00:07:36: eigentlich ganz ganz schwer wieder raus. Das ist nicht realistisch, einfach ja

00:07:40: bezahlt das doch ab und das kann einen extrem belasten, auch psychisch.

00:07:44: Deswegen ist dieses Bild von den Geldschulden gar nicht so falsch, weil

00:07:48: man kann sich vorstellen, es gibt ja viele Lebensgeschichten, vielleicht kennst du

00:07:52: das auch aus eigener Betroffenheit, was das bedeutet, so Schulden zu haben, also

00:07:57: Schulden jetzt im plural, im finanziellen Sinne. Und wenn einem dann die

00:08:01: Schulden erlassen würden, was ja nie geschieht im finanziellen Sinne, da kommt

00:08:06: ja ein Ratten, Schwanz und Problemen mit Betreibungen und so weiter hinzu.

00:08:10: Schuldenerlass gibt es ja eigentlich ganz ganz selten, aber man könnte sich

00:08:15: vorstellen, was das für eine Erleichterung wäre und wie man dann neu

00:08:19: anfangen kann, wie man bei null anfangen kann und vor einem weißen Blatt

00:08:24: Papier sitzt. Und das ist das Bild, das hier in diesem Gebet auch verwendet wird,

00:08:28: zumindest bei Matthäus.

00:08:31: Jetzt zurück zu dieser Frau, die mir erzählt hat, dass sie fast mit

00:08:37: Sie möchte eben etwas ableisten. Sie möchte in diesem Bild mit den Geldschulden,

00:08:41: Sie möchte Ihre Schulden bei Gott bezahlen, indem sie etwas Schwieriges tut.

00:08:46: Und genau das ist ja der Punkt am Christentum, dass Gott die Schulden vergibt, ohne Gegenleistung,

00:08:52: bedingungslos. Das ist das, was Jesus gepredigt hat und das ist das, was viele glauben, dass

00:08:58: Jesus eben durch seinen Tod die Schulden bei Gott wieder gut gemacht hat, stellvertretend für alle

00:09:04: Menschen. Nicht alle Christinnen sind theologisch auf dieser Linie der sogenannten Satisfaktionslehre,

00:09:10: also eben, dass die Schuld der Menschen durch Jesus aufgewogen werden musste und Jesus deswegen

00:09:15: sterben musste. Was aber Jesus schon zu seinen Lebzeiten gepredigt hat, ist, dass Gott mit offenen

00:09:22: Armen dasteht. Dass Gott Schuld vergibt, egal was und zwar immer und immer wieder. Am

00:09:27: Eindrücklichsten ist da ja die Geschichte vom verlorenen Sohn, die verlinke ich dir in den

00:09:33: Show notes. Wenn du sie noch nicht kennst, kannst du sie nachlesen in der Bibel. Das ist eine ganz

00:09:36: eindrückliche Geschichte, wo Jesus vermittelt, dass jemand etwas ganz, ganz, sein Leben ganz,

00:09:43: ganz falsch gelebt hat und trotzdem von seinem Vater am Ende wieder akzeptiert und angenommen

00:09:49: wird. Und dass dieser Vater sich freut, wenn der Sohn zu ihm zurückkommt. Völlig egal, was vorher

00:09:55: war. Das ist so ein starkes Bild und daran kann man sich festhalten, dass Gott so ist wie dieser

00:10:01: Vater in dieser Geschichte. Mit offenen Armen einen empfängt. Wie gesagt, manchmal haben Fehler

00:10:07: schwierige Konsequenzen und zum Beispiel wenn jemand für seine Schuld ins Gefängnis muss,

00:10:12: dann kann man nicht einfach sagen, ja Gott hat dir vergeben, geh jetzt wieder raus. Das ist mir

00:10:16: klar, aber ich glaube, was Gott sagt, ist, du bist mir wertvoll. Ich nehme dich an, ich nehme dir das

00:10:23: ab, was deine Seele belastet und dich bedrückt und ich stärke dir den Rücken, damit du von dort,

00:10:29: wo du jetzt bist, mit allen Konsequenzen, die du aktuell noch tragen musst, auf der Welt für

00:10:34: das, was du falsch gemacht hast, ich erlaube dir von diesem Punkt aus in die Zukunft zu schauen und

00:10:40: nach vorne zu schauen. Und eben dieses weiße Blatt Papier in mir übertragenen Sinn.

00:10:45: Spannend ist dann nochmal dieses Wörtchen, wie auch wir vergeben. Das ist übrigens auch nicht

00:10:55: im beiden Evangelien gleich. Bei Lukas gibt es tatsächlich einen Kausalzusammenhang, weil auch

00:11:00: wir vergeben, denn auch wir vergeben, bei Matthäus steht "wie". Und Gerhard Eberling, den ich ja

00:11:06: für diese Serie immer wieder konsultiere mit seinem kleinen Buch vom Gebet, das sind Predigten

00:11:11: zum unser Vater, der hat gesagt, dieses "wie" symbolisiert eben dieses Gleichnis, diese Übertragung

00:11:17: von zwischenmenschlicher Vergebung auf die Vergebung Gottes. Und es geht auch in die andere

00:11:22: Richtung, dass es nämlich um ein Gottesbild geht, den wir nachleben sollen. Also dass wir

00:11:28: ähnlich sein sollen wie Gott, dass wir das, was Gott wichtig ist, auch in unser Leben übertragen

00:11:34: sollen. Das ist eben nicht der Gott, der irgendwie triumphal in seinem Himmel sitzt und die Schulden

00:11:40: aufrechnet und aufschreibt in sein großes Buch und dann am Ende der Zeit eine Zurechenschaft zieht

00:11:46: und einem sagt, was man alles falsch gemacht hat, sondern das ist eben der Gott, der vergibt.

00:11:53: Das ist der Gott, der am Kreuz gehangen ist in Jesus Christus, der gelitten hat und der uns

00:11:59: liebevoll immer wieder empfängt. Und das ist dieses Gottesbild, den wir nacheifern sollen. Also auch

00:12:05: hier wieder diese Lebenskultur, diese Herzenshaltung von Großzügigkeit, von Barmherzigkeit. Wir sind

00:12:11: in der Bibel immer wieder heißt, was man eigentlich eins zu eins mit der warmen Herzlichkeit übersetzen

00:12:16: kann, diese Großzügigkeit anderen Menschen gegenüber, die einen selber auch frei macht.

00:12:22: Ich verlinkt ihr übrigens in den Notizen zu dieser Folge auch noch einen Artikel, den ich über das

00:12:31: Buse tun geschrieben habe. Das ist nämlich durchaus eine christliche Praxis, dass man Buse tut

00:12:37: für seine Sünden. Also dass man hinschaut, was ist genau passiert. Das hat nichts mit Leistung

00:12:42: zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass man Verantwortung übernimmt und hinschaut und Reue

00:12:49: entwickelt für das, was man falsch gemacht hat. Um dann eben nicht etwas abzuleisten,

00:12:55: sondern um Vergebung zu bitten bei der Person, der man etwas schuldet. Jetzt interessiert mich,

00:13:00: was du darüber denkst, schreibe mir sehr gerne eine E-Mail oder einen Kommentar auf Social Media

00:13:04: oder in deiner Podcast App. Ich freue mich sehr von dir zu hören und wir hören uns in zwei Wochen

00:13:10: wieder mit der nächsten Zeile des Vater Unser Führer uns nicht in Versuchung. Auch noch mal

00:13:16: hapige Kost dann. Ich wünsche dir bis dahin eine gute Zeit und bleib dran. Nach dem Outro kommt

00:13:22: noch die Meditation von meiner Kollegin Jana Horstmann. Tschüss!

00:13:26: Und vergib uns unseren Sturm. Zuerst war da der Wind und dann kam die Wellen. Keine Welle ohne den

00:13:47: Wind, der das Meer auffühlt. Wirklich ruhig ist es nie. Immer ist es in Bewegung. Immer sind wir

00:13:57: in Versuchung. Schuld ist eine Welle. Ein Wind, ein Sturm, ein Brausen. Selten eine Stille. Mal ist

00:14:09: es ein leichtes, kontinuierliches Schwippen und Schwappen mit ein bisschen Wisch und Wusch. Mal

00:14:16: toast und braust es während der Wind über die Schaumkämme fährt und Wasser zu Wind und Wind

00:14:21: zu Wasser wird bis die Schuld immer größer die Wellen immer halsbrechischer werden. Bis sie mir

00:14:30: mein Hals brachen und ich zusammenbrach voll lauter Schuld, die als Welle über mir brach. Schuld ist

00:14:39: stürmisch oder zumindest fühlt sie sich stürmisch an. Sie bringt alles ins Ungleichgewicht, macht

00:14:49: uns wackelig, faserig, unsicher, wie ein Papierschiff im Meer, wie ein Fähnchen im Sturm. Der Sturm

00:14:59: hört nicht auf. Der Sturm ist zu laut, die Schuld macht mich stumm. Ich höre mich selbst

00:15:06: kaum noch ein Wort flüstern. Ich habe auch nichts mehr zu sagen, so wie ich ums Überleben

00:15:13: ringe, nicht an meiner Schuld zugrunde schwimme. Mir meine Schuld vergeben scheint mir fast vergeblich.

00:15:21: Ist doch viel einfacher mir nicht einzugestehen, der Sturm sei ein externes Problem, mit dem ich

00:15:28: nichts zu schaffen habe. Habe ich nur genügend Atem, er wird gewiss von selbst vergehen.

00:15:34: Wohl kaum. Ich kann mich zwar verstecken, aber der Sturm ist in mir. Er hört nicht irgendwann

00:15:44: auf, mich zu verunsichern. Ich kann mich nicht dauerhaft verstecken in der Hoffnung, es wird

00:15:50: irgendwann ruhiger. Je länger ich mich verstecke, desto wilder wird das Meer und der Sturm in mir,

00:15:56: bis die Welle über mir bricht. Zuerst war da der Wind und dann kamen die Wellen. Keine Welle ohne

00:16:07: den Wind, der das Meer auffühlt. Wirklich ruhig ist es nie. Immer ist es in Bewegung, immer sind

00:16:14: wir in Versuchung. Vergebung ist Bewegung. Ich habe den Sturm gesehen, der nun über mich hinweg

00:16:25: zieht. Kämpfe ich gegen den Sturm, gegen an ist das über kurz oder lang mein Untergang. Ich muss

00:16:31: mitschwingen, damit Vergebung gelingen kann. Um stabil zu bleiben, fange ich zu schwingen an. Wie

00:16:41: das Papierschiff im Meer, wie die Wolkenkratzer im Sturm, nicht über Mann lassen, sondern mit der

00:16:49: Bewegung mitgehen, sonst reist es uns auseinander. Vergebung ist Bewegung. Und zwar auf jemanden zu,

00:16:59: auf ein wir oder ein du und manchmal auch auf mich. In der Hoffnung, du gehst auch immer wieder auf mich,

00:17:10: auf uns zu.

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